Monday, January 16, 2006

Dorian-Gray-Syndrom

Das Dorian-Gray-Syndrom bezeichnet eine Zeiterscheinung, die durch die seelische Unfähigkeit zu altern und zu reifen, durch Ablehnung der eigenen Gestalt (Dysmorphophobie) und durch exzessiven Gebrauch sogenannter Lifestyle-Angebote der Medizin gekennzeichnet ist.Von Dorian-Gray-Syndrom spricht man, wenn psychisch die Unfähigkeit zu altern und seelisch zu reifen, gepaart mit der Ablehnung des Äußeren (Dysmorphophobie) und der exzessiven Inanspruchnahme von Lifestyle-Angeboten in der Medizin bei einer Patientin oder einem Patienten zu verzeichnen ist.Der Begriff wurde 2000 im Kontext einer Tagung zur Lifestyle-Medizin von Brosig geprägt (Brosig 2000, Brosig et al. 2001, Euler 2003 et al.). Der Begriff lehnt sich an den Roman Das Bildnis des Dorian Gray von Oscar Wilde an und nimmt das Motiv des Werkes, die Unfähigkeit zu altern und damit auch seelisch zu reifen, im Sinne einer klinischen Beschreibung und syndromatischen Einordnung auf.Psychodynamisch besteht eine Wechselwirkung zwischen narzisstischen Tendenzen (Stichwort: Alterslose Schönheit), Problemen der psychosexuellen Progression (Stichwort: Vermeidung von Entwicklung und Reife) und schließlich, im Sinne einer Abwehr, dem Gebrauch von Lifestyle-Angeboten in der Medizin. Dies dient als Mittel, ohne innere psychische Verarbeitung äußere Perfektion zu erreichen und ewige Jugend festzuhalten. Das so beschriebene Krankheitsbild weist dabei über die differentialdiagnostisch wichtigen Krankheitsbilder der Dysmorphophobie, der narzisstischen Persönlichkeitsstörung und der Paraphilien hinaus, weil das Ineinandergreifen dieser unterschiedlichen Dynamiken eben der Kernpunkt des Dorian-Gray-Syndroms ist und somit eine gesonderte klinische Entität darstellt. Nach vorsichtigen Schätzungen dürften 2 bis 3 % der Bevölkerung an dem beschriebenen Syndrom erkrankt sein (vgl. Brosig et al 2005).
Zeichen der Dysmorphophobie Unfähigkeit zur psychischen Reife und zu psychologischen Entwicklungsschritten Inanspruchnahme von mindestens zwei der nachfolgenden Lifestyle-Angeboten der Medizin: Haarwuchsmittel Antiadiposita Potenzmittel Antidepressiva zur Stimmungsmanipulation Inanspruchnahme der Angebote der kosmetischen Dermatologie Inanspruchnahme der Angebote der ästhetischen Chirurgie Betont werden soll in diesem Zusammenhang die exzessive Inanspruchnahme der oben genannten Punkte, wobei zwei oder mehr Bereiche betroffen sein müssen.
Klinisch besteht eine latente Depressivität mit der Gefahr suizidaler Krisen, wobei die oben angesprochenen Maßnahmen der Lifestyle-Medizin als psychische Abwehr gegen, das Durchbrechen depressiver Zustände zu verstehen sind. Bei nicht ausreichender Berücksichtigung der psychologischen Dynamik kommt es zu einer Chronifizierung narzisstischer Einstellungen und zu teils selbstschädigendem Agieren.

Dorian Gray

Das Bildnis des Dorian Gray (OT: The picture of Dorian Gray, Erstdruck 1890) ist ein Roman des Schriftstellers Oscar Wilde (* 1854; † 1900). Die Hauptfigur, der reiche und schöne Dorian Gray, besitzt ein Porträt, das statt seiner altert und in das sich die Spuren seiner Sünden und Vergehen einschreiben. Während Gray immer maßloser und grausamer wird, bleibt sein Äußeres dennoch jung und makellos schön. Schließlich zerstört er in Verzweiflung das Bild und vernichtet dadurch auch sich selbst.
Themen, die in diesem Roman eine zentrale Rolle spielen, sind die Moralität der Sinnlichkeit in der Zeit des Viktorianismus, die Dekadenz der englischen Oberschicht, der Ästhetizismus des Fin de siècle als Kunstphilosophie und Lebenshaltung.
Der Roman gilt als Wildes Prosa-Hauptwerk und als Kommentar zur Aufgabe der Kunst. Dabei kann es durchaus auch als Kritik an dem geschilderten und im Vorwort proklamierten Ästhetizismus gelesen werden.Die Handlung beginnt mit einem Gespräch zwischen dem in Eton ausgebildeten Dandy Lord Henry Wotton (kolloquial Lord Henry oder Harry) und dem Maler Basil Hallward in einem Atelier, das in einem Garten liegt. Das Gespräch dreht sich um Fragen der Kunst und der Selbstinszenierung.
Hallwards im Atelier aufgestelltes Ganzkörper-Porträt des schönen, jungen Dorian Gray rührt Wottons Neugier, so dass jener von seiner ersten, ergriffenen Begegnung mit dem jungen Mann zu erzählen beginnt, die ihn an „den Rand einer Lebenskrise“ bringe. Dorian Gray verleite ihn zu einer „neuen Kunstrichtung, die alle Leidenschaft der romantischen, alle Vollkommenheit des griechischen Geistes in sich einschließen soll“ (S. 20; zitierte Ausgabe siehe Abschnitt Literatur). Es gehe in der Kunst jedoch um „abstrakte Schönheit“, nicht um „Autobiographie“ (S. 21), weshalb er sich weigert, das Porträt auszustellen – für ihn trägt es zu sichtbar die Spuren seiner eigenen „künstlerischen Vergötterung“ (S. 20) Dorian Grays.
Wotton lernt Dorian Gray (ähnl. engl. "grey" - grau ; trostlose "Farbe") kennen, der für Basil Modell sitzt. Wottons Ausführungen über die Selbstentfaltung des Menschen – ohne Furcht vor moralischen Vorstellungen –, für einen „neuen Hedonismus“ (S. 36) und über den körperlichen Verfall lösen in Dorian tiefe Bewegung aus. In Anspielung auf die Narziss-Sage sieht Dorian nun zum ersten Mal sein Porträt, und „das Bewußtsein seiner eigenen Schönheit überkam ihn wie eine Offenbarung“ (S. 39) – zugleich halluziniert er den Verfall seiner Schönheit und empfindet Eifersucht auf das Bild. Basil bietet an, es zu zerstören, doch Dorian hindert ihn daran.
Lord Wotton wird sich der Macht bewusst, die er über den jungen, „unbefleckten“ Dorian ausübt, und beschließt, ihn nach seinem eigenen Vorbild wie ein Kunstwerk zu formen.
Eine Einladung Wottons zur Tischgesellschaft bei seiner Tante, Lady Agatha, nimmt der Autor zum Anlass, die verschiedenen Typen der englischen Oberschicht zu karikieren. Wotton selbst brilliert mit seinen Ideen, verführt sich und die Anwesenden zu einem Rausch schwindelerregender Aphorismen und Paradoxien.
Dorian Gray verliebt sich in die 17-jährige Schauspielerin Sibyl Vane (siehe Sibyllen, legendäre Prophetinnen; engl. vain = „eitel“), die als einziges Talent in einem kleinen, drittklassigen Theater Shakespeare-Rollen spielt. Er erzählt Wotton von seiner Verliebtheit, was diesen jedoch nur zu zynischen Bemerkungen hinreißt. Kurze Zeit später meldet Dorian auch schon seine Verlobung.
Der Theaterdirektor Mr. Isaacs, mit dem sie einen Vertrag unterschrieben hat, tritt in mehreren Szenen auf; er wird als unsympathischer, „schmieriger“ Jude beschrieben; ein Porträt, das deutlich antisemitische Züge trägt.
Sibyl berichtet ihrer Mutter und ihrem Bruder James Vane von der Verlobung mit ihrem „Märchenprinzen“. Beide sind nicht begeistert; ihr 16-jähriger Bruder, der sich im Begriff befindet, nach Australien zu reisen, schwört Blutrache, falls Dorian ihr „Unrecht“ antue. Sibyls Mutter wird als alternde Schauspielerin dargestellt, der das Theatralische in Fleisch und Blut übergegangen ist. Sibyl selbst lebt in Geschichten aus Kitschromanen; die Zukunft, die sie für ihren Bruder ausmalt, ist eine Collage aus Piraten-, Abenteuer- und Schäfergeschichten.
Lord Henry berichtet Basil von Dorians Verlobung. Basil verletzt diese Entwicklung, weil sie ihm Dorian entfremdet. Dorian Gray tritt hinzu, berichtet von Sibyls letztem Auftritt in „Knabenkleidern“ und vergleicht sie mit den Statuetten in Basils Atelier. Er ist fasziniert davon, nicht eine gewöhnliche Frau zu besitzen, sondern eine, die ihm ermöglicht, die berühmten Theaterheldinnen zu küssen: „Lippen, die Shakespeare das Sprechen lehrte, haben mir ihr Geheimnis ins Ohr geflüstert. Rosalindens Arme umschlangen mich, und Julia küßte ich auf den Mund.“ (S. 109) Er schwört, aus Sibyl eine berühmte Schauspielerin zu machen und sie von ihrem Vertrag freizukaufen.
Ein Theaterbesuch von Dorian, Lord Henry und Basil, bei dem sie Sibyl auf der Bühne sehen sollen, wird zur Enttäuschung: Sibyl entpuppt sich plötzlich als so schlechte Schauspielerin, dass das Publikum den Saal vorzeitig verlässt. Dorian stellt sie hinter der Bühne zur Rede; sie gesteht, dass sie nun nicht mehr spielen könne, weil sie bisher nur Theaterrollen gekannt und diese für das wahre Leben gehalten habe: „Die gemalten Kulissen waren meine Welt. Ich kannte nichts als Schatten, und hielt sie für etwas Wirkliches. (...) Du lehrtest mich, was die Wirklichkeit wirklich ist.“ (S. 122) Dies erinnert an das Höhlengleichnis Platons. Dorian weist sie brüsk zurück und flieht.
Als er nach durchwachter Nacht in seiner herrschaftlichen Wohnung ankommt, bemerkt er die erste Spur der Veränderung auf seinem Porträt. Er reagiert bestürzt auf den Zug von Grausamkeit, den er in dem Gemälde erkennt. Das Bild, begreift er, „barg das Geheimnis seines Lebens und erzählte seine Geschichte“ (S. 129). Er beschließt, seinen Fehler wieder gut zu machen und Sibyl zu heiraten.
Später am Tag teilt ihm jedoch Lord Henry mit, dass Sibyl sich noch in der Nacht mit Blausäure oder Bleiweiß (Farbsymbolik) umgebracht habe. Dorian ist nur kurz entsetzt, dann urteilt er, sie sei „entsetzlich pathetisch“ gewesen und „hatte kein Recht, sich zu töten. Es war selbstsüchtig von ihr“ (S. 141) und findet Gefallen an der, wie er sagt, „schrecklichen Schönheit einer griechischen Tragödie“ (S. 142). Noch für den gleichen Abend verabredet er sich mit Henry zu einem Opernbesuch.
Das Porträt wird für Dorian zu einem „Zauberspiegel“ (S. 150), das ihm seine Seele offenbaren soll. Auch wenn er zunächst über physische Ursachen der Veränderungen spekuliert, ist er sich schließlich doch gewiss, dass sein intensives „Gebet“ in Basil Hallwards Atelier den magischen Tausch ausgelöst haben muss.
Basil Hallward ist entsetzt über Dorians Gleichgültigkeit. Als er das Gemälde noch einmal sehen will, verweigert ihm Dorian den Zugang, selbst als Basil ihm seine tiefe persönliche Abhängigkeit gesteht. Basil selbst ist jedoch inzwischen zu einem anderen Kunstverständnis gekommen: „Form und Farbe erzählen uns von Form und Farbe – das ist alles. Oft scheint mir, die Kunst verbirgt den Künstler weit mehr, als sie ihn jemals offenbart.“ (S. 163)
Dorian plant nun, das Bild zu verstecken, dessen zukünftiger Verfall ihm plastisch vor Augen steht. Er verhüllt es und lässt es in sein ehemaliges Kinderzimmer unter dem Dach tragen, auch wenn ihm der Kontrast zur „makellosen Reinheit seines Knabenlebens“ (S. 171) entsetzlich erscheint.
Derweil intensiviert sich Lord Henrys Einfluss auf Dorian: Ein symbolistischer „französischer Roman“, das sogenannte Yellow Book wirkt auf ihn „betörend“, „zersetzend“, „vergiftend“, „den Verstand umnebelnd“ (S. 177) – die „Krankheit des Träumens“ ergreift ihn und bestimmt sein künftiges Leben. Er schafft sich neun Erstausgaben an, jede davon in einer anderen Farbe gebunden.
Dorian lebt in den kommenden Jahren skrupellos seine Selbstentfaltung aus, wie es ihm Lord Henry empfohlen hat. Regelmäßig vergleicht er jedoch die sich zum Schlechten verändernden Züge des Porträts mit seinem Spiegelbild.
Dorian wird zum skandalumwitterten Mittelpunkt der Gesellschaft, gelehrt und weltläufig. „Er war bestrebt, eine neue Lebensauffassung zu erarbeiten, die ... in der Vergeistigung der Sinne ihre höchste Verwirklichung fände“ (S. 182). Er widmet sich dem Studium vergangener Epochen, deren Geisteshaltungen er wie Theaterrollen annimmt, weiterhin sammelt er Düfte, exotische Musik und Instrumente, Edelsteine und ihre Mythen, Alchemie, Stickereien und Wandteppiche; in Stammbäumen und Gemäldegalerien, literarischen und historischen Figuren, vor allem in den Gewaltherrschern Roms und der Renaissance erkennt er sich wieder.
Am Tag vor seinem 38. Geburtstag, dem 9. November (Dorian entpuppt sich damit als Ebenbild Schillers, der ebenfalls am 10.November geboren ist), begegnet Dorian Basil Hallward, mit dem er seit langem nicht gesprochen hat. Basil ist kurz vor der Abreise nach Paris und will Dorian zuvor sprechen. Dorian lädt ihn in sein Haus ein, wo Basil beginnt, ihn vor kursierenden Gerüchten zu warnen und ihm eine Moralpredigt zu halten. Aus Wut führt Dorian Basil zu seinem Porträt: „Komm mit nach oben, Basil ... Ich führe ein Tagebuch über jeden Tag meines Lebens, und es verläßt nie den Raum, in dem es geschrieben wird ... Du wirst nicht lange zu lesen haben.“ (S. 214)
Basil erblickt das Porträt, dessen Antlitz sich mittlerweile in das „Gesicht eines Satyrs“ verwandelt hat und kaum noch kenntlich ist. Basil ist zuerst ungläubig, dann begreift er – da ersticht ihn Dorian mit einem Messer.
Der Mord ist der Anfang eines Wahnsinns, der Dorian ergreift. Er steigert sich in die Lektüre seines symbolistischen Lieblingsromans. Dann lässt er den jungen Chemiker Alan Campbell holen, dessen Ruf er ruiniert hat, gegen den er jedoch erpresserisches Material besitzt. Campbell beseitigt die Leiche, vermutlich mit Salpetersäure.
Bei einem Diner im Salon der Lady Narborough ist Dorian innerlich nervös, wirkt jedoch selbstsicher. Ein Gespräch mit Lord Henry entspinnt sich, in dem es unter anderem um die dekadenten Lebensformen im herrschenden Fin de Siècle geht. Als er wieder zu Hause ist, verbrennt Dorian weitere Beweisstücke des Mordes, Basils Tasche und Umhang.
Anschließend lässt sich Dorian von einer Droschke in eine entlegene Gegend des Londoner Hafens fahren, wo er eine Opiumhöhle besucht. Auf der Fahrt plagen ihn wahnhafte Bilder: „Der Mond hing am Himmel wie ein gelber Schädel“; die Straßen wirken „wie das schwarze Netz einer unermüdlich webenden Spinne“ (S. 256). In der Bar, die er schließlich betritt, findet er auch eines seiner vielen Opfer, Adrian, mittlerweile bankrott und opiumsüchtig. In den grotesken, verzerrten Fratzen der Opiumsüchtigen findet Dorian die „Hässlichkeit“, die ihm nunmehr als „einzige Wirklichkeit“ erscheint.
Auf der Straße tritt ihm James Vane entgegen, der ihn in der Bar an einem verräterischen Wort erkannt hat. James bedroht Dorian mit einem Revolver, um den Tod seiner Schwester zu rächen, erkennt dann jedoch, dass Dorian das Gesicht eines Zwanzigjährigen hat und nicht derjenige sein kann, der vor 18 Jahren seine Schwester ermordete. – Dorian flieht, bevor James von einer Prostuierten erfahren kann, dass sein Irrtum kein Irrtum war.
Dorian versinkt nun in Paranoia. Bei einem Wochenende auf dem Lande bei Lord Henrys Cousine, der Herzogin von Monmouth, und ihrem käfersammelnden Ehemann fällt er in Ohnmacht, weil er glaubt, James Vanes Gesicht am Fenster gesehen zu haben.
Als Dorian auf einem Spaziergang in eine Jagdgesellschaft gerät, wird versehentlich ein Treiber erschossen. Dorian ist entsetzt, doch die Jäger machen nicht viel Aufsehens darum. Der Treiber ist jedoch allen unbekannt. Als Dorian erfährt, dass es sich um einen bewaffneten Seemann gehandelt habe, eilt er, um den aufgebahrten Toten zu identifizieren – es handelt sich um James Vane.
Dorian beschließt nun, sein Leben zu ändern. Als er durchblicken lässt, er habe Basil ermordet, hält ihn Lord Henry für unglaubwürdig und traut ihm keinen Mord zu. Mord und Kunst seien für ihn nur „eine Methode, außergewöhnliche Empfindungen hervorzurufen“ (S. 293) – Kunst für die Oberschicht, Mord für die Arbeiterklasse. Dorian versucht verzweifelt, den skeptischen Henry von der Existenz der Seele zu überzeugen: „Die Seele ist eine schreckliche Wirklichkeit. Man kann sie kaufen und verkaufen und um ihren Preis feilschen. Man kann sie vergiften oder vervollkommnen. In jedem von uns ist eine Seele. Ich weiß es.“ (S. 296) Dorian wirft Henry vor, ihn durch das Buch vergiftet zu haben. Henry hält dagegen, dass die „Bücher, die die Welt unmoralisch nennt“, Bücher seien, „die der Welt ihre eigene Schande vor Augen halten“ (S. 300).
Auf einem nächtlichen Spaziergang bereut Dorian den Hochmut seines Gebets um ewige Jugend. „(Er) wußte, dass er sich besudelt, seinen Geist mit Verderbtheit und seine Phantasie mit Grauen erfüllt hatte“ (S. 302). Auf seinem Porträt jedoch haben sich mittlerweile „ein verschlagener Ausdruck ... und um den Mund die Falschheit des Heuchlers in tiefen Furchen eingegraben“ (S. 304). Dorian begreift, dass nichts ihn reinwaschen kann, erst recht keine Selbstverleugnung. Er beschließt, das letzte verbliebene Beweisstück für den Mord an Basil Hallward zu zerstören und zückt das Mordmesser gegen das Bild. „So, wie es den Maler getötet hatte, würde es auch das Werk des Malers töten, und alles, was es bedeutete“ (S. 306) – dann, glaubt Dorian, werde er befreit sein.
Als die Dienstboten seine Leiche finden, ist sie kaum zu erkennen, sie hat „ein verlebtes, runzeliges, widerwärtiges Gesicht“. Das Porträt dagegen erstrahlt „in vollem Glanz seiner köstlichen Jugend und Schönheit“ (S. 307).
Wilde stellte seinem Roman ein Vorwort aus ästhetischen Aphorismen voran, in dem er für die Kunst eine Sphäre außerhalb der Moral fordert. „So etwas wie ein moralisches oder ein unmoralisches Buch gibt es nicht. Bücher sind entweder gut oder schlecht geschrieben. Das ist alles. (...) Das moralische Leben gehört zum Gegenstand des Künstlers, doch die Moralität der Kunst besteht im vollkommenen Gebrauch eines unvollkommenen Mediums.“ (S. 5) Mit diesem Vorwort wollte Wilde wohl unter anderem erreichen, dass die strenge Zensur die Gegenwartsbezüge seines Romans nicht wahrnahm.
Zugleich stellt das Vorwort ein kunstphilosophisches Manifest dar, das der Kunst einen Bereich der Schönheit außerhalb jeden Nutzwertes zuweist: „Alle Kunst ist völlig nutzlos“ (S. 6). „Alle Kunst ist Oberfläche und Symbol zugleich“ – mit diesem ästhetizistischen Satz versucht Wilde, sich in der L'art pour l'art-Debatte des Symbolismus zu positionieren. Oberfläche und Tiefe, Offenbarung und Geheimnis, Pose und Enthüllung sind Paradoxien, die sich durch den Roman ziehen. „Das wahre Geheimnis der Welt ist das Sichtbare, nicht das Unsichtbare“ (S. 35).
Bereits in der ersten Szene skizzieren die Atmosphäre und Umgebung des Ateliers einen von der profanen Welt abgegrenzten Raum, der allein der Schönheit vorbehalten ist. Man kann den Roman jedoch auch als eine kritische Distanzierung von der ästhetizistischen Haltung sehen, wobei die grausamen Konsequenzen dieser Haltung deutlich, wenn auch zugespitzt formuliert werden. Die Strategie, einen ästhetisch von der Welt abgeschlossenen Raum zu schaffen, wird durch den Roman eben unterlaufen, denn die Tragik der Figuren liegt oft gerade darin, dass sie Kunst und Leben zu häufig – mit fatalen Folgen – verwechseln.
Dazu gehört auch das Thema Theatralität, das in der Sybil Vane-Episode eingesetzt wird. Weder die Schauspielerin Sybil Vane noch Dorian Gray können zwischen dem wirklichen Leben und ihrer theatralischen Rolle wirklich unterscheiden; beide ersehnen sich ein Theaterleben und imaginieren sich in die dramatischen Rollen. Deren Mustern nachzuleben gelingt ihnen im wirklichen Leben nur um den Preis der Lächerlichkeit – oder des eigenen Todes.
Es wäre problematisch, Wildes eigene Haltung einfach mit der seiner Figuren gleichzusetzen. Viele der spöttischen Sentenzen, die z. B. der zynische, manipulative und misogyne Lord Henry Wotton äußert, wird durch die Ironie, mit der sie vorgetragen werden, ein doppelter Boden verliehen. So sagt Lord Henry Wotton z. B.: „Nun hat aber der Wert einer Idee nicht das geringste mit der Aufrichtigkeit desjenigen zu tun, der sie vorbringt. Ja es ist vielmehr zu erwarten, daß die Idee um so mehr rein geistiger Natur sein wird, je unaufrichtiger der Betreffende ist, da sie in diesem Fall nicht von seinen Bedürfnissen, seinen Wünschen oder seinen Vorurteilen gefärbt wird.“ (S. 18) Somit sind Lüge, Verstellung und Ironie gewissermaßen die Bedingungen für Wahrheit.
Das permanente Maskenspiel ist eine Haltung, die auch oft auf die autobiographische Situation Oscar Wildes bezogen wird, der als Homosexueller im viktorianischen England seine Sexualität im Verborgenen ausleben musste. Als sie schließlich öffentlich wurde, verurteilte ihn ein Gericht zu zwei Jahren Zuchthaus, an deren Spätfolgen er wenig später starb. Die unterdrückerische Moralität des viktorianischen Zeitalters brachte auf eine gewisse Weise also auch diese Art von Versteckspiel mit dem „wahren Ich“ hervor.
Man kann aber vermuten, das Wilde in der Figur des Lord Henry Wotton sowohl seine eigene Haltung wie die lustvolle moralische Verantwortungslosigkeit der englischen Oberschicht verhandelt. Die sentenzhafte, kokettierende Sprechweise und die demonstrativen, ironischen Selbstbespiegelungen Wottons zeigen die Sensibilitäten des Dandys, die auch Wilde selbst besaß und zelebrierte: Genuss an „schönen Dingen“, Blumen, Düfte, Musik; hohe Sensibilität für Kleidung, Inneineinrichtung und Umgangsformen, für Oberflächlichkeiten, Verstellung, Provokation, Inszenierung, aber auch für Versteckspiele, Geheimnistuerei und Diskretion. Ein scharfer Sinn für gesellschaftliche Inszenierung und die Lust an der Pose sind die Waffen des Dandys gegen die Profanität sowohl der eigenen Klassie als auch der Unterschicht und gegen die strikte Moralsucht der Gesellschaft.

Damien Hirst

Von 1986 bis 1989 belegte Hirst am „Goldsmiths College“ in London den Kurs „Fine Arts“. Hirst interessierte sich vor allem für diesen Kurs, weil er sich nicht auf eine einzige Kunstrichtung wie Malen oder Bildhauerei konzentrierte.
Bekannt wurde Damien Hirst 1988 mit einer Ausstellung in einem leerstehenden Lagerhaus im Hafenviertel von London. Unter dem Titel „Freeze“ (gefrieren) stellten er und andere Künstler ihre Werke aus.
In einer Ausstellung, die von Hirst mitorganisiert wurde, stellte er ein in Formaldehyd konserviertes Schaf aus - unter dem Titel „Away from the Flock“ (weg von der Herde). Ein Gast versuchte das Werk zu sabotieren und schüttete Tinte in die Flüssigkeit. Diese Aktion zog viel Aufmerksamkeit auf die Ausstellung und machte das Schaf von Hirst zu einem der berühmtesten Werke moderner (und umstrittener) Kunst.
Hirst gehört zu den Young British Artists.

Damian

Die (Zwillings-?) Brüder Damian und Kosmas waren Ärzte, behandelten die Kranken kostenlos und bekehrten dadurch viele zum Christentum. Erzählt wird wie die beiden, von Engeln assistiert, einem schlafenden Kranken das böse zerfressene Bein abnahmen und ihm ein gesundes ansetzten, das Damian einem gerade gestorbenen Mohren abgenommen hatte. Als die Diokletianische Verfolgung sich ausbreitete, ließ der Präfekt Lysias die beiden an Ketten gefesselt ins Meer werfen. Ein Engel rettete sie; ein Feuer, in dem sie vernichtet werden sollten, verbrannte die Umstehenden und ließ sie unverletzt. An Kreuze gebunden, kehrten die auf sie abgeschossenen Pfeile und geschleuderte Steine zu den Schergen zurück und erschlugen diese. Schließlich wurden sie mit den drei Gefährten Anthimus, Leontius und Euprepius enthauptet.
Damian und Kosmas wurden in der frühen Kirche fast im ganzen römischen Reich verehrt, in Jerusalem und Rom, in Kilikien und Konstantinopel, hier allein gibt es vier nach ihnen benannte Kirchen. Papst Felix IV. errichtete um 530 eine ihren Namen tragenden Kirche in Rom. Im 9. Jahrhundert brachte Bischof Altfried von Hildesheim ihre Reliquien nach Essen.
Attribute: Arzneibüchse, medizinische Geräte Patron von Essen und Florenz; der Ammen, Ärzte, Chirurgen, Zahnärzte, medizinischen Fakultäten, Apotheker, Drogisten, Friseure, Krämer, Zuckerbäcker und Physiker; der medizinischen Fakultäten; gegen Epidemien, Geschwüre und Pferdekrankheiten
Bauernregel: "St. Kosmas und St. Damian / fängt das Laub zu färben an."